Fachtagung „Innovative Befestigungstechnologien für Nutzfahrzeuge“
Zuverlässige Befestigungs- und Verbindungstechnologien spielen im Fahrzeugsektor eine große Rolle.
Die Veranstaltung des CVC (Commercial Vehicle Cluster) in Kooperation mit der Initiative “We move it” fand am 13. April 2021 als WebSeminar statt.
Neuartige Antriebssysteme wie batterieelektrische Antriebe oder Wasserstoff-Verbrennungsmotoren stellen Hersteller vor völlig neue Herausforderungen. Um einen Einblick im Bereich der Befestigungstechnologien in Nutzfahrzeugen zu geben, referierten Expertinnen und Experten zu Lösungen für diese Herausforderungen und stellten sich den Fragen der 50 Zuhörer.
Den inhaltlichen Teil der Tagung eröffnete Dr. Lars Hoyer, Business Development Manager Engineering Adhesives bei der Kömmerling GmbH mit dem Vortrag zum Thema „Klebtechnische Trends im Fahrzeugsektor“. Das Unternehmen Kömmerling entwickelt seit 1897 Kleb- und Dichtstoffe. Die Anwendungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Leichtbau, Elektromobilität, Komfort- Funktionsoberflächen und elektronische System. Kleb- und Dichtstoffe ersetzen dort oft aufwändige mechanische Befestigungen und zeichnen sich aufgrund der speziellen Verarbeitungsprozesse durch eine hohe Energieeffizienz aus. Kundenindividuell werden unterschiedlichste Klebstoffe bereitgestellt, um für jede Anforderung die optimale Lösung anbieten zu können.
Je nach geforderter Eigenschaft bietet Kömmerling ein breites Spektrum an geeigneten Produkten an. Beispielweise werden strukturelle und elastische Klebstoffe in der Elektromobilität für Batteriesysteme eingesetzt. So wird EV Protect 4006 SFR verwendet, um Batteriezellensysteme zu verkapseln, um im Falle des thermischen Durchgehens einer Zelle die restlichen Zellen zu schützen. Zusätzlich handelt es sich hierbei um einen thermisch leitfähigen Klebstoff, der die Kühlung der Zellen gewährleistet. Im Bereich der Komfort- und Funktionsoberflächen werden Gießharze für Glas-Kunststoff-Verbunde mit integrierten Funktionen verwendet, um beispielsweise Displays und Gläser im Interieur vertikal und kantengenau zu verkleben. Hier sind mittlerweile reaktive Heißklebstoffe sowie Ein-Komponenten- oder auch Zwei-Komponentenklebstoffe statt doppelseitiger Klebebänder im Einsatz. Im Bereich des Komforts sind Schalldämpfungssysteme mit LASD- und Butyl-Patches verfügbar, um Geräusche im Innenraum effektiv zu dämpfen. Darüber hinaus stellt Kömmerling flüssige Polyurethane zur Verfügung. Diese können beispielsweise mit einer Düse an einem Roboterarm auf die Klebestelle flexibel aufgetragen werden. So wandelt z.B. eine Akustikmasse aus 2K-Polyurethan Körperschall in Wärmeenergie um. Mit dem Weld Mount-System bietet Kömmerling ein Befestigungssystem ohne Schweißen, Bohren oder Schrauben an. Somit können beispielsweise Kabelbefestigungen auch an schwer zugänglichen Stellen installiert werden.
Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte Petra Jungfermann, Leitung Technik und Entwicklung, die Karl Berrang GmbH vor und referierte gemeinsam mit Stephan Stelzig, Mitarbeiter Technik und Entwicklung, über das Thema „Kontakte oder doch Isolation? Fallstricke bei der Verbindung unterschiedlicher Materialien“.
Die Karl Berrang GmbH mit Sitz in Mannheim spezialisiert sich bereits seit 70 Jahren als Familienunternehmen auf mechanische Verbindungstechnik. Mit den Kernkompetenzen Engineering, Supply Chain – und Qualitätsmanagement sowie der Logistik zählt Berrang dabei zu den „Hidden Champions“ der Branche. Berrang setzt seinen Schwerpunkt auf maßgeschneiderte Lösungen der Verbindungstechnik inklusive kundenspezifischer Supply Chain-Lösungen. Gerade im Bereich der Baumaschinen, Landmaschinen und Nutzfahrzeuge ist das Unternehmen verstärkt aktiv.
Aufgrund der Anwendung alternativer Antriebe ändern sich die Anforderungen bei Verschraubungen: Stromführende und stromlose Verbindungen sorgen dafür, dass neben den klassischen mechanischen und Umgebungseinflüssen nun auch elektrische Einflüsse zum Tragen kommen. Die Vielzahl dieser Größen beeinflussen sich gegenseitig und es kann zur sogenannten Kontaktkorrosion kommen.
Wie es überhaupt zur Kontaktkorrosion kommt und welche Abhilfemaßnahmen ergriffen werden können, erörterte Stephan Stelzig schließlich im weiteren Verlauf.
Korrosion ist ein irreversibler Prozess, bei dem das Material oxidiert. Dieser Prozess wird vor allem durch Umweltbedingungen, Temperatur und die Luftfeuchtigkeit beeinflusst. Jedes Metall besitzt dabei ein elektrisches Eigenpotential, welches definiert, wie edel ein Metall ist. Alle Elemente die aufgrund der Messung gegen Wasserstoff positiv sind, werden als edel, alle negativen als unedel definiert. Kommen zwei Metalle unterschiedlichen Eigenpotentials in Kontakt, so führt dies im Zusammenspiel mit Luftfeuchtigkeit zur Kontakt-Korrosion. Das unedlere Metall löst sich dabei auf. Dabei gilt: Je größer die Potentialdifferenz der beiden Materialen, desto stärker ist die Kontakt-Korrosion.
Insbesondere im Bereich der stromführenden Verschraubungen (z.B. elektrische Kontaktverschraubungen) werden Bauteile aus unterschiedlichen Ausgangsmaterialien gepaart (Aluminium / Kupfer / rostfreier Stahl…..). Ohne spezielle Maßnahmen kommt es zu Kontakt-Korrosion.
Aus den oben genannten Gründen ist es wichtig zu wissen, wie Kontakt-Korrosion verhindert werden kann. Dies kann über die Materialauswahl, bauteiliche Trennung durch Zwischenschichten oder Isolierung der Materialen geschehen. Darüber hinaus kann der Kontakt zu elektrolytischen Leitern vermieden werden, was unter Umständen aufgrund von Luftfeuchte schwierig sein kann. Schließlich sollten noch Spalten zwischen den Materialien vermieden werden und der Flächenanteil des unedleren Metalls größer ausgelegt werden. Zum Schluss erläuterte Stephan Stelzig im Detail, wie der Kontakt zwischen Stahl zu Aluminium und Kupfer zu Stahl korrosionssicher hergestellt werden kann.
In seinem Vortrag „Befestigungstechnik bei Wasserstoffbehältern“ gab Eric Rinkenbach, Business Development Manager E-Mobility bei der HYDAC Accessories GmbH, einen Überblick über die Befestigungsmöglichkeiten von kompositen Wasserstoffbehältern bei verschiedensten Typen von Nutzfahrzeugen und welche technischen Unterstützungsmöglichkeiten HYDAC in diesem Bereich bietet
Die im Jahr 1963 gegründete HYDAC Accessories GmbH ist in Sulzbach ansässig und befindet sich auch heute noch im Familienbesitz. Die Hydac Accessories GmbH ist verstärkt im Bereich gasbetriebener Fahrzeuge, insbesondere für Wasserstoff-Anwendungen tätig. Lösungen des Unternehmens schließen Produkte für Brennstoffzellenfahrzeuge ein. Die Palette reicht dabei von Befestigungen für Wasserstofftanks bis hin zu Thermomanagementlösungen der Fahrzeuge.
Im Bereich der Wasserstoff-Anwendungen werden Befestigungsmöglichkeiten für diverse Systeme benötigt. Hydac liefert beispielsweise für H2-Tanks Befestigungen mit Spannbändern oder Neckmounts an. Erstere werden entweder aus rostfreiem Edelstahl oder aus verzinktem Stahl gefertigt. Die Variante mit verzinktem Stahl wird hierbei häufig präferiert, da dieser weniger zur Kontakt-Korrosion führt, was in Bezug auf die auftretenden Zugkräfte relevant sein kann. Die Neckmounts werden verwendet, um die Tanks an den Enden, also an den Flaschenhälsen selbst zu befestigen. Neben den Tankbefestigungen entwickelt Hydac auch Bänder zum Verspannen von Brennstoffzellenstacks, auch aus rostfreiem Edelstahl oder verzinktem Stahl. Zusätzlich dazu ist ein weiteres wichtiges Produkt die TPRD Sensorhalterung. Diese wird zur Befestigung des TPRD-Sensors an den Tanks verwendet. Ein TPRD-Sensor hat die Aufgabe, beispielsweise bei einem Fahrzeugbrand den Wasserstoff möglichst schnell und kontrolliert aus den Tanks abzulassen, um eine Explosion zu vermeiden.
Mit Hilfe der genannten Befestigungssysteme lassen sich Wasserstofftanks sowohl vertikal als auch horizontal in den Kundenfahrzeugen anbringen. Die Palette von Fahrzeugen, die bisher mit den Befestigungslösungen ausgestattet wurden, reichen vom Pkw über Lkw und Baumaschinen bis hin zu Pistenraupen. Die Systeme wurden außerdem in einem Rallye Dakar Fahrzeug des Herstellers Gaussin erfolgreich erprobt. Hydac bietet hierzu die individuelle Auslegung der Befestigung für unterschiedliche Fahrzeuge an. Dazu werden anhand der gegebenen Spezifikationen die geforderten Festigkeiten ermittelt. Auf dieser Basis entwirft und validiert Hydac die Befestigungssysteme individuell für die Kunden.
Zusammenfassend konnten die Referenten zeigen, welche innovativen Befestigungstechnologien aktuell für neue Antriebssysteme verfügbar sind. In den abschließenden Diskussionen zeigte sich das große Interesse der Zuhörerschaft an den vorgestellten Klebe- und Befestigungsmöglichkeiten. Neben neuartigen Klebstoffen einerseits und Lösungen zur Vermeidung von Kontakt-Korrosion andererseits konnten die Trends und Herausforderungen in der Anwendung von Befestigungstechnologien dargestellt werden.