Web-Seminar zum Thema „Erforschung neuer Materialien und Werkstoffe für Fahrzeuge“
In einem Web-Seminar von „We move it“ wurden Lösungen und Optimierungspotentiale für Fahrzeugmaterialien diskutiert
Materialien und Werkstoffe werden mehr und mehr zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor für wettbewerbsfähige Fahrzeugkonzepte: Fahrzeuge sollen immer effizienter, sicherer, leichter, umweltverträglicher und langlebiger werden. Dies bringt einen deutlichen Umbruch im Fahrzeugbau mit sich und es wird deshalb verstärkt an neuen Materialien geforscht. Innovative Werkstoffe sind entscheidend, um Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen zu minimieren, Langlebigkeit und Stabilität zu steigern. Der Einsatz neuer Materialien erfordert damit jedoch auch ein Umdenken und Anpassungen in der Entwicklung und Produktion.
Welche Ansätze in der Werkstoff-Forschung verfolgt werden, zeigten im August 2025 Experten in einem Web-Seminar von „We move it“ auf. Sie berichteten, was derzeit entwickelt und umgesetzt wird und was in Zukunft zu erwarten ist.
Dr. Patrick Wilke, Segment Manager Transportation bei der BASF SE, zeigte auf, dass die BASF einen ganzheitlichen Ansatz in der sogenannten grünen Transformation verfolgt. Dies bedeutet, dass an allen Stellen CO2-Emissionen eingespart werden. Durch den Einsatz neuartiger Materialien und Einzelmateriallösungen wird die Recycelbarkeit gefördert und durch alternative Rohstoffe und Recyclingmaterialien der Anteil mineralölbasierter Einsatzstoffe reduziert. Dies kommt auch der Fahrzeugindustrie zu Gute, die so den CO2-Fussabdruck eines Fahrzeugs reduzieren kann.
Die BASF entwickelt und produziert beispielsweise einen mechanisch recycelbaren Polyurethan-Schaum, der sich optimal für Anwendungen im Fahrzeuginnenraum eignet. Mit einer weiteren Produktneuheit, dem Ultramid® Expand-Partikelschaum, sind komplexe Bauteile umsetzbar. Ultramid® Expand zeichnet sich durch Leichtbaufähigkeit, Temperaturbeständigkeit und Recycelbarkeit aus. Zuletzt stellte Dr. Wilke loopamid® vor, das erste Polyamid 6, das vollständig aus Textilabfällen hergestellt wird.
Teil des ganzheitlichen Ansatzes ist außerdem, dass neuartige Materialien auch mit neuen, umweltverträglichen Herstellverfahren produziert werden. So bestrebt die BASF zur CO2-Reduktion Steamcracker-Öfen einzusetzen, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden, umweltfreundlich eigenen, CO₂-freien Wasserstoff für die Versorgung des Hauptwerkes zu produzieren und das Unternehmen beteiligt sich an einem globalen Projekt zur Herstellung von blauem Ammoniak mit CCS (Carbon Capture & Storage).
Anschließend präsentierte Egon Förster die Kernkompetenzen seines Unternehmens. Die Fiber Engineering GmbH aus Karlsruhe setzt auf Faser-Einblas-Technik (FIM) zur Erstellung von 3D-Teilen. Dabei deckt die Fiber Engineering GmbH alle Bereiche ab – von der Beratung, Entwicklung, über Bauteil-Prototypen bis hin zur Serie sowie die Entwicklung von FIM-Anlagen. Die Vorteile der Faser-Einblas-Technik liegen darin, dass Dichten innerhalb eines Bauteils variiert werden können, was eine deutliche Gewichts- und Materialeinsparung ermöglicht. Des Weiteren entstehen bei dieser Technik keine Abfälle, da das Produkt im Endformat hergestellt wird – ein kosteneffizientes Verfahren. Das macht die Lösung vor allem für die Automobilindustrie hochinteressant. Eingesetzt wird die Technik beispielsweise für Bauteile wie Bodenisolierungen im Fahrzeug, Sitze, Hutablagen, Radlaufschalen, Motorkapselungen, Türverkleidungen, Hochtemperaturisolierungen und viele mehr.
Darüber hinaus setzt die Fiber Engineering GmbH auf den vermehrten Einsatz von natürlichen und recycelten Werkstoffen. Statt Reststoffe zu vernichten, werden diese anteilig in neue Werkstoffe eingesetzt – ein großer Beitrag zur Nachhaltigkeit und Kostensenkung. Auch künftig sind weitere Material-Innovationen zu erwarten.
Im nachfolgenden Vortrag legte Prof. Dr. Joachim Hausmann die Kompetenzen des Leibniz-Instituts für Verbundwerkstoffe (IVW) dar. Das IVW erforscht Grundlagen für zukünftige Anwendungen von Verbundwerkstoffen – insbesondere für automobile Anwendungen. Ziel hinter der Forschung an Verbundwerkstoffen sind
- Leichtbau: Bauteile sollen mit weniger Masse fertigbar sein und dadurch auch zu weniger Sprit-/ Energieverbrauch (und im Nutzfahrzeugbereich ebenso zu weniger Bodenverdichtung) beitragen.
- Performance: Verbundwerkstoffe weisen eine höhere Festigkeit als traditionelle Materialien auf.
- Ressourceneffizienz: Verbundwerkstoffe sind bruchzäh, langlebiger, wartungsärmer und oftmals besser für Recycling geeignet.
Das IVW nutzt die Vorteile von Verbundwerkstoffen und entwickelt Bestandteile für (Nutz-) Fahrzeuge wie etwa Lager- und Lagerwerkstoffe, Karosseriestrukturen, Außenhaut, Spoiler, Windabweiser, Innenverkleidungen, Fahrwerkstrukturen, Antriebswellen oder Strukturbauteile.
Die letzte Präsentation hielt Dr. Tobias Donhauser, Managing Director der fiberior GmbH. Das Unternehmen hat sich auf Faser-Thermoplast-Verbunde für industrielle Anwendungen spezialisiert und bietet seinen Kunden Halbzeuge aus Faser-Thermoplast-Verbunden sowie individuell auf Kundenwunsch gefertigte Bauteile.
Thermoplaste sind eine nachhaltige Alternative zu Duroplasten und Metallen, sind reparierbar, wiederverwendbar, neu formbar und recyclingfähig. Zudem sind sie leichtbaugeeignet und ersetzen mit ihrem geringen Gewicht schwerere Metallkomponenten in Fahrzeugen. Sie sind flexibel in der Formgebung und eignen sich für komplexe Bauteile. Weitere Vorteile sind, dass Thermoplaste sehr beständig gegen Chemikalien, Korrosion oder Schlag sind und optisch ansprechend bedruckt, lackiert oder verchromt werden können. Nicht zuletzt ihre wärme- und schalldämmenden Eigenschaften machen Faser-Thermoplast-Verbunde zu einer interessanten Lösung für Fahrzeug-Bauteile.
Resümierend ließ sich im Web-Seminar erkennen, dass sich in der Fahrzeugindustrie ein Wandel verspüren lässt und der Weg weg von traditionellen Materialien wie Kunststoffen oder Metallen hin zu leichtbaugeeigneten, natürlichen, recyclingfähigen, langlebigen und nachhaltigeren Werkstoffen führt. Die Unternehmen machten deutlich, dass bereits eine hohe Innovationskraft in diesem Sektor vorhanden ist, jedoch auch noch viele weitere, neue Entwicklungen zu erwarten sind.